Verkehr contra Stadtgrün?

Infoveranstaltung zur Umgestaltung Münchner Ring

Voglwuid! Diesen Eindruck vermittelte ein Videoclip, den Besucherinnen und Besucher einer Info-Veranstaltung der Grünen Unterschleißheim zur Umgestaltung des Münchner Rings zu sehen bekamen: Autos, die abrupt auf die Gegenspur wechseln, Radfahrer, die diagonal durchs Geschehen kreuzen, plaudernde Fußgänger und Laufboten mitten auf der Straße. Die Stadtszene illustrierte freilich nicht die Zustände in Unterschleißheim, sondern stammte aus einem eindrucksvollen Filmdokument von 1906. Es zeigt, wie effektiv Vorsicht, Umsicht und Rücksicht im Verkehr sein können — vorausgesetzt, das Tempo stimmt. Mit diesem überraschenden Einstieg begann Tino Schlagintweit, Umwelt- und Verkehrsreferent der Grünen-Fraktion seinen Impulsvortrag, in dem er die aktuellen Planungen zum Münchner Ring und mögliche Alternativen vorstellte.

Hintergrund ist der Neubau von Montessori- und Michael-Ende-Schule. Sie erfordern bereits jetzt Eingriffe in den Straßenraum und orientieren sich dabei an einer Machbarkeitsstudie, die aber den gesamten Abschnitt zwischen Raiffeisenstraße und B13 einbezieht und massive Konsequenzen hätte, insbesondere für den in rund 40 Jahren gewachsenen Baumbestand. 

Absicht der Veranstaltung im Großen Sitzungssaal des Rathauses war nicht nur Information, sondern vor allem Feedback: Die fast 50 anwesenden Bürgerinnen und Bürger hatten ausgiebig Gelegenheit, eigene Vorstellungen einzubringen. 

Dazu diente zunächst eine Frage- und Diskussionsrunde. Ihr gehörten an: Robert Burschik, Vorsitzender der ADFC-Ortsgruppe Schleißheim, der Verkehrs- und Tourismusforscher Prof. Andreas Kagermeier aus Freising, Birgit Annecke-Patsch, Vorsitzende der Ortsgruppe des Bund Naturschutz Schleißheim sowie Tino Schlagintweit von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Die Moderation hatte Johanna Krichling, Mitglied im Vorstand der Unterschleißheimer Grünen. 

Ginge es nach der Machbarkeitsstudie, die von der Stadt schon 2022 veranlasst und den Schulbauten zugrunde gelegt wurde, bliebe der Ring wie bisher vor allem Durchgangsstraße: Radfahrer und Fußgänger bekämen abseits der Fahrbahn zwar breitere Wege, Vorrang hätte aber weiterhin ein möglichst ungestörter Autoverkehr.

Doch der ist ohnehin nicht mehr gegeben: Ampeln, Fußgängerquerungen, Geschwindigkeitsanzeigen und Tempo-30-Abschnitte bremsen die Autofahrt auf den insgesamt 2,3 Kilometern zwischen B13 und Landshuter Straße schon heute drastisch aus. Das wird sich mit dem Neubau der Schulen und weiteren Querungen und Ampeln verschärfen.

Die von der Studie favorisierte Trennung der Verkehrsarten mit komfortablen Fahrspuren für Autos ändert daran nichts. Sie suggeriert vielmehr freie Fahrt, wo keine ist. Aufgrund des knappen und ungünstig verteilten Platzes müssten dafür aber je nach Variante zwischen 116 und 155 Bäume weichen, also fast der gesamte Bestand. Ca. 45 könnten neu gepflanzt werden.

Zweifelhaft ist auch der Gewinn an Sicherheit durch Trennung. Die für 2035 prognostizierte Verkehrsbelastung mit rund 1100 Fahrzeugen in den Spitzenstunden bewegt sich noch klar in dem Bereich, wo nach den gültigen Richtlinien Radverkehr auf der Fahrbahn möglich wäre: entweder mit Fahrradschutzstreifen (strichlierte Linie) oder mit Radfahrstreifen, die breiter und durchgängig markiert sind. Und das bei Tempo 50, erst recht bei Tempo 30.  

Tenor der zahlreichen Kommentare aus der Beteiligungsrunde mit Stellwänden war denn auch, dass die Bäume unbedingt bleiben müssen, dass der schnelle Radverkehr auf die Straße soll, vorerst vielleicht nur versuchsweise, dass an Engstellen wegen der Gefahr durch Autotüren Parkraum wegfallen könnte und eventuell Tempo-30 auf dem gesamten Ring eingeführt werden sollte. 

Damit bliebe nicht nur der Baumbestand erhalten, sondern auch die alten Fuß- und Radwege. Unterm Strich bekämen die Radler sogar mehr Raum als geplant, schnelle und langsame wären sogar getrennt – und nicht zuletzt könnte sich die Stadt Baukosten in Millionenhöhe sparen.

Helmut Göbel, Sprecher des Ortsverbands von Bündnis 90/Die Grünen sieht die Veranstaltung als gelungenes Beispiel, Bürgerinnen und Bürger früh in ein wichtiges Vorhaben einzubinden, das wirklich alle betrifft. Er fordert, „jetzt ist die Stadt am Zug. Sie sollte das Thema auch aufgreifen und z.B. auf der Plattform Consul einer breiteren Basis zur Diskussion stellen.“ 

Die Anregungen der Bürger*innen finden sich hier.

Die Präsentation kann man sich hier anschauen.

Tino Schlagintweit, Umwelt- und Verkehrsreferent, Bündnis 90 / Die Grünen

 

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