Mittel für eine klimaverträgliche und soziale Wirtschaft
Ein Kommentar von Bernhard Schüßler
Die Schwarze Null ist vom Tisch und scheint angesichts historischer Neuverschuldung ferner denn je. Das ist gut so, denn das zwanghafte Festhalten an einem Spardiktat um jeden Preis, hat in Deutschland zu enormen Investitionsstaus in Bereichen wie Digitalisierung, ÖPNV, Bildung, etc. geführt und in den südlichen EU-Ländern noch gravierendere Folgen gehabt v.a. in Griechenland.
Das Geld jetzt aber planlos rauszuballern ist genauso problematisch.
Einer Bazooka-Strategie und einem Wumms ist gemein, dass sie beide schnell und laut auftauchen. Danach kommt aber nichts. Vielleicht eignet sich eine solch kämpferische Rhetorik für einen Vizekanzler, der gerne seinen Präfix Vize ablegen würde und in der allgemeinen Wahrnehmung als Schlaftablette gilt. Vielleicht hilft es bei den Bundestagswahlen im kommenden Jahr. Dem Land und der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung aber, hilft es nicht.
Es ist nicht so, dass ich jede Entscheidung des Wirtschaftsministers beanstanden würde. Es ist vielmehr ein politisches Verständnis, ein Gestus von Politik und von Wirtschaft, der mich beunruhigt. Seien wir ehrlich, die Wirtschaft dominiert unser Leben, auch in vielen anderen Bereichen, in denen sie besser nichts zu suchen haben sollte. Der Gesundheitssektor ist aktuell durch Corona so ein Paradebeispiel dafür geworden. Gewinnmaximierungslogik ist eben nicht überall gleichermaßen sinnvoll und hilfreich. Genau diese Logik aber scheint an den Hebeln der Macht noch sehr präsent zu sein. Das Selbstverständnis einer alten Politik v.a. von der Union ist eines, dass man als Regierung Erfüllungsgehilfe der Großwirtschaft sei. Autokanzler*innen hatten wir genug und Autominister sowieso.
Das Konzept der Grünen Null verfolgt eine andere Logik. Es ist nicht wie bei der Schwarzen Null, dass man 1€ entweder spart oder ausgibt, ein Nullsummenspiel sozusagen. Die Grüne Null bedeutet, dass ein heute richtig investierter € sich in Zukunft vielfach bezahlt machen wird. Schon vor über 10 Jahren haben Ökonomen berechnet, dass man mit Kosten von 1% der Weltwirtschaftsleistung die Klimakrise wirksam bekämpfen könnte, während die Kosten durch die Erderhitzung sich bis auf 20% belaufen werden. Welchen Weg sollen wir wohl einschlagen? Die Rechnung ist eindeutig. Die Intertemporalität muss endlich ein fester Bestandteil jeder Kostenrechnung werden, denn was nützen Gewinne in den nächsten 10 Jahren, wenn dafür die Wirtschaftsgrundlage für Generationen zerstört wird? Für einen egoistischen Unternehmer kurz vor dem Renteneintrittsalter, könnte sich das noch lohnen und leider würden alle Ökonomiemodelle das als rationales Verhalten klassifizieren; für einen Politiker, für eine Person, die als Vertreterin der Bevölkerung gewählt wurde, um gewissenhafte Entscheidungen zum Wohle der Allgemeinheit zu treffen, ist ein solches Verhalten inakzeptabel.
Eine Grüne Null bedeutet, dass Ausgaben nach ihrem ökologischen und sozialen Nutzen bewertet werden und nicht nach Gewinnaussicht. Möglich wäre das mit einem einfachen CO2-Preis von 180€ je Tonne CO2-Äquivalent, wie es das Umweltbundesamt vorgeschlagen hat. Der Staat würde damit Gelder nur an Projekte ausgeben, die klimatisch und sozial eine positive Wirkung nach sich ziehen. Die Regierung und die Unternehmen würden mit CO2 Schattenpreisen, also hypothetischen Klimakosten in den Bilanzen arbeiten. So lohnt sich der Klimaschaden auch finanziell nicht mehr.
Außenpolitisch ist es notwendig, eine Allianz der Zukunft mit den Ländern zu bilden, die zu Klimagerechtigkeit bereit sind. Freihandel um jeden Preis würde durch Fairen Handel ersetzt, der klare Mindeststandards für Ressourcenverbrauch, Emissionen, Menschenrechte und Arbeitnehmerschutz festschreibt. Die Pariser Klimaziele gelten automatisch bei jedem Handelsabkommen und bei der Entwicklungszusammenarbeit. Ein fester CO2-Preis gilt natürlich auch. Für die Länder, die sich dem verwehren und weiterhin auf Klimazerstörung, Menschenrechtsverletzungen und Dumping setzen, werden Klimazölle erhoben. Mit dem CBA (carbon border adjustment) werden klimaschädliche Güter bei der Einfuhr verteuert, um genau 180€ pro emittierter Tonne an Treibhausgasen.
Und wenn die Wirtschaftsdaten veröffentlicht würden, um mal wieder zwischen den Ländern zu vergleichen, wäre nicht das BIP sondern ein Klimabereinigtes BIP der Richtwert für ökonomischen Erfolg. Dieses Grüne BIP habe ich selbst erfunden mit einer fast schon banalen Herangehensweise. Wenn die Wirtschaftsleistung eines Landes in Geldeinheiten messbar ist, die Gesamtemissionen eines Landes genauso, dann ist es leicht, mit dem CO2-Preis von 180€/Tonne eine tatsächliche Wirtschaftsleistung zu ermitteln. Dem klassischen BIP wird einfach die Emissionsmenge mal 180 abgezogen. Für Deutschland wären das in 2019 ein Minus um 156 Milliarden € im Vergleich zum normalen BIP.
Mit Geld alleine werden wir die Klimakrise nicht stoppen. Aber mit einer grundlegenden Umstrukturierung unserer Wirtschaftslogik, können wir dafür sorgen, dass die Menschheit eine langfristige und lebenswerte Zukunft hat. Die Macht, die Regeln zu ändern und die sozioökonomische Transformation der Wirtschaft einzuleiten, liegt bei den Regierungen, die Verantwortung auch.
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