Fachgespräch zur Verkehrswende: Was wird uns bewegen?

Das erste elektrische und autonome Flugtaxi geht nächstes Jahr in Serie und zwar in Österreich. Eine Flotte von 6000 Elektro-Kleinbussen kurvt längst durch Schweden. In Ägypten und Südafrika werden alte Dieselbusse auf Batteriebetrieb umgerüstet – die Verkehrswende rollt global. Bloß bei uns scheint sie zu stocken: Zu viele rechtliche und mentale Hürden, zu wenig Mut.

v.l.n.r.: Kurt Sigl, Dr. Markus Büchler und Manuel Güntner.

Mit dieser Diagnose überraschte Kurt Sigl, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität die rund 30 Besucher einer Vortrags- und Diskussionsrunde am Mittwoch, 16.10. in der Parkgaststätte. Organisiert hatte die Veranstaltung der grüne Stadtratskandidat Manuel Güntner. Der promovierte Chemiker arbeitet bei einer Garchinger Firma für Batterie-Systeme. Unter dem Motto „Was wird uns bewegen?“ diskutierte er mit anderen Experten darüber, wie wir uns in Deutschland, Bayern und Unterschleißheim künftig fortbewegen werden. Außer Kurt Sigl war noch der Verkehrsexperte der Landtagsgrünen Dr. Markus Büchler eingeladen. Bürgermeisterkandidat Tino Schlagintweit moderierte den Abend.

Im ersten Teil ging es vor allem um Technik. Manuel Güntner machte in seinem Vortrag klar, dass die Elektromobilität der Zukunft beide konkurrierenden Systeme nutzen wird: Die mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen eher im Schwerlast- und Flugverkehr, Hochleistungsakkus dagegen in Bussen, Autos und Kleinfahrzeugen. Den verbreiteten Bedenken gegenüber Akkus trat er, aber auch Kurt Sigl entschieden entgegen: Nachhaltigkeit und Leistung würden ständig verbessert. Zum Beispiel habe sich die Kapazität beim Renault Zoe in den letzten 4 Jahren verdoppelt, während der Preis drastisch sank. Mittlerweile überstehen sie tausende Ladezyklen und halten etwa acht Jahre im Straßenverkehr. Danach könnten sie nochmals 15 Jahre als Standspeicher etwa für Fotovoltaik-Anlagen oder im Haus verwendet werden. Erst dann muss recyclet werden und das funktioniere bereits zu 96 Prozent. Das nächste große Geschäftsmodell nach dem bloßen Verkauf von Autos werde „mobility as a service“. Schon heute habe die digitale Vernetzung aller Verkehrs-Dienstleistungen einen Grad erreicht, dass viele Stadtbewohner kein Auto mehr wollen. Defizite gebe es aber bei der Infrastruktur.

Im zweiten Teil des Abends analysierte Markus Büchler die Verkehrspolitik in Bayern und im Landkreis München. Jahrzehntelang habe die Staatsregierung allein aufs Auto gesetzt und den öffentlichen Verkehr vernachlässigt. Das räche sich nun – nicht nur in überfüllten Zügen, Bussen und verspäteten S-Bahnen, sondern auch in häufigen Autostaus. Statt ständig neue Straßen zu bauen, müssten alte Bahnstrecken reaktiviert werden, um „den Druck aus dem Hexenkessel München herauszunehmen“. Auch in Sachen Elektromobilität müsse mehr passieren: Die Installation der groß angekündigten 7000  Ladesäulen in Bayern dauere doppelt so lange wie geplant. Fortschritte sah Büchler dagegen im Landkreis. Das geplante Expressbussystem, ein Leitsystem für Busse, ein Ringbussystem, Ausbau des Radverkehrsnetzes und Radschnellwege, sowie eine mögliche Straßenbahn-Verbindung Garching- Unterschleißheim-Feldmoching seien der richtige Weg, um mit dem starkem Zuzug Schritt zu halten. Mit vielen fundierten Fragen und Beiträgen beteiligte sich die Besucher an der Diskussion und nahmen wohl den Eindruck mit nach Hause, dass eine neue nachhaltigere Mobilität vor der Türe stehe, man müsse sie nur hereinlassen.

 

 

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