Wenn früher von „hilflosen Helfern“ die Rede war, ging es in den sozialen Berufen hauptsächlich um Probleme der Abgrenzung und den daraus resultierenden burnout-Erscheinungen. Die besonderen seelischen Risiken der helfenden Berufe wurden erstmals in den 80er Jahren genauer betrachtet.
Über seelische Risiken in Pflegeberufen spricht heute niemand mehr. Sie passen nicht in ein Konzept, wo jeder Einsatz danach bewertet wird, ob die Arbeit effektiv und wirtschaftlich ist. Vor allem in der Altenpflege muss heute die Anzahl der Pflegekräfte in Relation zur Zahl der Bewohner und den Pflegestufen stimmen. Wie diese Arbeit zu schaffen ist, ob die Zeit, die ein kranker, schwacher oder dementer Mensch braucht, überhaupt erfasst und berechnet werden kann und wie das Ganze zu finanzieren ist, ist eine Frage, die noch Generationen beschäftigen wird.
Jedenfalls befinden sich die Pflegekräfte in einer absolut unbefriedigenden Situation:
Die Pflegebedürftigen sehnen sich nach persönlicher Zuwendung, die ihnen zeigt, dass sie nicht nur als ein Patient mit verschiedenen Diagnosen auf einem Dokument existieren. Die Dementen brauchen Zeit und Geduld ohne Ende. Die Angehörigen suchen Rat, Aufmunterung und Verständnis und erwarten natürlich eine entsprechende Gegenleistung zu den finanziellen Belastungen, die sie zu tragen haben. Heimleitung und Pflegedienstleitung fühlen sich verpflichtet, das Haus wirtschaftlich tragfähig zu halten, bzw. zu sanieren – was häufig heißt, dass Personal eingespart wird. Und die Pflegekräfte absolvieren ihre Schichten rund um die Uhr, sind körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt, die unbeschreiblich sind, versuchen alles aufzufangen, wohl wissend, dass sie nie allen Anforderungen gerecht werden können, am wenigsten den eigenen Erwartungen.
Es ist ein fataler Kreislauf. Dass immer weniger den Idealismus aufbringen, den Beruf der Altenpflege zu erlernen ist nur verständlich. Die allgemeine Anerkennung und hohe Wertschätzung dieses Berufes scheint ein Lippenbekenntnis zu sein. Am Gehalt ist sie jedenfalls nicht zu erkennen. Der Münchner Stadtrat hat einen Antrag der Grünen auf eine Arbeitsmarktzulage für Pflegekräfte abgelehnt. Am 28.1. war in der Presse zu lesen, dass eine Studie zeigt, dass Altenpfleger deutlich weniger Geld verdienen als andere Fachkräfte. Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung Karl-Josef Laumann (CDU) sprach von einem großen Nachholbedarf bei den Löhnen. Die Voraussetzungen dafür seien gegeben. Auch die pflegepolitische Sprecherin der Grünen Elisabeth Scharfenberg fordert die Tarifpartner auf, Konsequenzen zu ziehen und angemessene Gehälter für Pflegekräfte zu vereinbaren.
Vor kurzem war diese Stellenanzeige eines Krankenpflegedienstes aus Bergisch Gladbach in den Zeitungen zu lesen:
„Sie können alles und erwarten nichts? Sie haben keinerlei Ambitionen gutes Geld zu verdienen, möchten aber immer mehr Aufgaben übernehmen? Den Interessenten lockt ein Arbeitsumfeld aus gestressten, überforderten und ausgelaugten Kollegen und ein Job ohne Aufstiegsmöglichkeiten, aber mit Überstunden ohne Ende“.
Ja, diese Stellenanzeige ist tatsächlich echt und der Humor hat einen ernsten Hintergrund. Das Pflegepersonal wird immer knapper. In der Not versucht die Personalabteilung es mit Ironie, bzw. mit der Wahrheit.
Dabei ist die Kranken- und vor allem auch die Altenpflege eine wirklich interessanter, anspruchsvoller Beruf, der neben medizinischem Wissen ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Einfühlungsvermögen erfordert, auf der anderen Seite eine Erfüllung bringt, die sich mit Worten kaum beschreiben lässt. Ich kenne nur wenige Berufe, bei denen man so „nahe am Menschen“ ist – in jeder Hinsicht. Und eines muss uns klar sein: nicht nur die Kinder sind unsere Zukunft, auch das Alter ist unsere Zukunft.
von Lissy Meyer
Pflegefachkraft und Palliative Care Kraft
Grünen-Stadträtin
Verwandte Artikel
• Anträge, Soziales, Stadtentwicklung und Verkehr, Stadtrat
Zuschuss zum 49-Euro-Ticket für Angestellte der Stadt Unterschleißheim
Wir von Bündnis 90/Die Grünen beantragten im April 2023 für Angestellte der Stadt Unterschleißheim einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 25 Euro, der über die Lohnabrechnung ausgezahlt wird, wenn sich die Mitarbeiter*innen das Ticket selbst kaufen.
Weiterlesen »
• Soziales, Veranstaltungen, Verschiedenes
Sechs Wochen auf der Sea-Eye mit Andreas Krahl, MdL
Online-Vortrag der Grünen Unterschleißheim
„Jedes Menschenleben muss der Rettung wert sein und bleiben“
Am Freitag, den 04.02., berichtet Andreas Krahl MdL um 19:30 Uhr von seinen Erfahrungen auf dem Seenotrettungsschiff Sea-Eye4.
Weiterlesen »
• Pressemeldungen, Soziales, Stadtrat
Ein Pflegestützpunkt in Unterschleißheim?
Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben am 26. April 2021 einen Antrag zur Einrichtung eines Pflegestützpunktes in den zum 1. September 2021 freiwerdenden Räumlichkeiten der Volkshochschule in Unterschleißheim, Pegasusstr. 18,…
Weiterlesen »