Ein Kommentar von Bernhard Schüßler, Stadtratskandidat in Unterschleißheim
Die meisten, die sich mit dem Thema der Klimakrise beschäftigen, gelangen relativ bald zu der Erkenntnis, dass unser heutiges System zu wirtschaften und zu handeln, mindestens eine wichtige, wenn nicht gar die zentrale Rolle zur Erklärung des Zustandes des Weltklimas einnimmt.
Auf Fridays for Future Demos, mischen sich hin und wieder antikapitalistische Sprüche in die Menge, wie: A, Anti, Antikapitalista! Oder: Hinter der Klimakrise steht das Kapital.
Es ist in der heutigen Stimmung leicht den ökonomischen Verhältnissen die Verantwortung zu zuschreiben. Ich selbst tue es auch mit größtem Vergnügen. Allerdings scheint mir das Thema selbst nur unzureichend und eher unkonkret behandelt zu werden. Dabei ließen sich viele Lehren ziehen, um auch die Wirtschaft umweltverträglicher zu gestalten.
Im Folgenden werde ich dazu einige Thesen aufstellen, die v.a. die Vielschichtigkeit der Probleme aber auch der Chancen, im Bezug auf den ökologischen Umbau der Wirtschaft, aufzeigen sollen.
Seit dem Ende des Kalten Krieges steht der Kapitalismus konkurrenzlos da. Die Neoliberale Wende seit den 80er Jahren, v.a. angetrieben durch Thatscher und Reagan, hat auch hierzulande die soziale Komponente in der fein justierten Balance einer sozialen Marktwirtschaft, geschwächt. Die Ökonomisierung der Lebensbereiche hat längst auf Politik und Gesellschaft übergegriffen und aus allen Beziehungen ein Wettbewerbsverhältnis geformt. Schließlich wurden die Bürger dadurch in allen Belangen zu bloßen Konsumenten degradiert. Das Problem dabei ist, dass Konsumenten eine passive Rolle einnehmen, denn sie haben kaum Mitbestimmungsmöglichkeiten im Produktionsprozess. Es wird der Eindruck gezielt geschührt, dass die Bürger*innen keinen Einfluss auf politische, ökonomische oder gesellschaftliche Verhältnisse nehmen können, was fast zwangsläufig zu einem Unmachtsgefühl führt. Die bestehenden Verhältnisse bleiben so wie sie sind, vielleicht mit kleinen kosmetischen Anpassungen an die Wünsche der Verbraucher*innen, das sogenannte Greenwashing. Dabei brauchen wir nicht nur aufgrund der sich zuspitzenden Klimakrise dringend eine Wirtschaftswende, in der wir grundlegende Ziele unserer Wirtschafts- und Handelsordnung überdenken! Dabei erstreckt sich die Wirtschaftswende über vier Bereiche, die Beschaffungs-, Handels-, Konsum- und Finanzwende.
Beschaffungswende
Unter Beschaffungswende verstehe ich die Art und Weise wie wir Ressourcen für unsere Produktion beziehen. Bereits hier zeigt sich, wie klimafreundliche Methoden und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand gehen. Beispielsweise mit Fair Trade Siegel zur transparenten Kennzeichnung von Importen, mit klaren Mindeststandards z.B. zur Förderung von seltenen Erden und Mineralien, und v.a. mit einer weitreichenden Recyclingstrategie als Teil einer Kreislaufwirtschaft. Mit neuen Methoden, sind Batterien für E-Autos zu 98% wiederverwendbar. Deutschland ist Mülltrennmeister, unsere Recyclingquote ist mit unter 40% hingegen beschämend. Stattdessen landet unser Müll in den Weltmeeren oder wird gar an Südostasiatische Länder exportiert. Unsere Verantwortung, schwächeren Ländern gegenüber beginnt bereits hier. Deshalb brauchen wir dringend ein Lieferkettengesetz!
Handelswende
An die Ressourcenthematik schließt sich die Frage nach einem umweltgerechten Welthandel zwangsläufig an. Die Verantwortung der industrialisierten Staaten muss insbesondere im Freihandel Berücksichtigung finden, denn mit sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit Afrikanischen Staaten, hat die EU zu einer Verschärfung dortiger Umweltkrisen geführt wie der Überfischung in den Küsten Westafrikas oder dem Bergbau im Kongo. Alles Dinge, die Flucht verursachen.
Das unsägliche Freihandelsabkommen mit dem Mercosur ist nichts anderes als eine Legitimierung des Kreuzzuges der Brasilianischen Regierung gegen Indigene und die biologische Vielfalt des Amazonas-Regenwaldes sowie ein weiterer Absatzmarkt für industriell gehaltene, v.a. aus genmanipuliertem Soja gefütterte Leistungsrinder, die auf abgeholzten Wäldern weiden.
Ein sozialökologischer Freihandel denkt zuerst an die Ökosysteme und Menschen, statt die Ausbeutung von Land und Leuten vorranzutreiben.
Konsumwende
Schließlich liegt es an uns, die notwendigen Umstellungen der Wirtschaft zu einem Erfolg zu machen. Das gelingt nur mit einem Umdenken. Es ist nicht selbstverständlich, Bananen im Winter zu kaufen. Wer das tut, muss sich darüber im Klaren sein, woher sie kommen. Gleiches gilt für Kleidung, ein Bereich, der oft kaum bedacht wird. Mit Wegwerfmode und Massenproduktion in armen Ländern mit geringen Umwelt- und Arbeitnehmer*innenstandards, hat es die Bekleidungsindustrie zu einem der größten Emissionsverursachern gebracht und ist heute für mehr Emissionen verantwortlich als der gesammte Straßenverkehr der Welt. Klasse statt Masse ist hier die Divise und das gilt auch für andere Güter wie z.B. Elektronik.
Finanzwende
Natürlich muss auch der Bankensektor die Verantwortung übernehmen, sich Nachhaltigkeitszielen zu verpflichten. Dabei sind Fonds mit ökologischer Ausrichtung sowie sozialökologische Investitionsprogramme eine notwendige Bedingung, um den Umbau der Wirtschaft zeitnah zu schaffen. Noch heute werden Kohle und Ölkonzerne von Banken wie der Deutschen Bank sehr stark gefördert und mit staatlichen Subventionen künstlich am Leben gehalten. Das bremst den Strukturwandel und blockiert die Etablierung innovativer und zukunftsträchtiger Branchen. Diese Bundesregierung hat bereits durch die Einführung von Deckelungen beim Solarausbau, die heimische Solarindustrie vor knapp 10 Jahren zerstört. Heute sind wir gezwungen PV-Anlagen aus China zu beziehen, ein Skandal, der sich bald auch bei der Windenergie wiederholen könnte, wenn die Bundesregierung ihren Kurs fortsetzt und einen absurden Mindestabstand von 1000m zum nächsten Haus durchsetzt. Nur als Randnotiz: Die Kriterien für ein Atommüll-Endlager, enthalten einen geringeren Mindestabstand zu Siedlungen; als wäre ein Windrad gefährlicher als radioaktiver Müll? Absurd!
Doch es gibt auch gute Nachrichten. Diese Woche hat die Europäische Investitionsbank angekündigt, keine Finanzprodukte mit Kohle, Öl oder Gas mehr anzubieten. Ein erster kleiner Schritt, der zeigt, dasss Teile der Wirtschaft shon weiter sind als unsere Regierung. Das zeigt auch die neueste Umfrage des Start-Up-Monitors, dem zur Folge etwa 44% der Startup-Mitarbeiter*innen Grün wählen würden. Sie haben verstanden, dass ihre Innovationskraft ein wichtiger Baustein dafür ist, den Umbruch hin zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu meistern. Die Politik muss hierbei die Richtung vorgeben und sich von den Dogmen des Spardiktats und des Wachstumsfetischismus lösen, um die Deutsche und Europäische Wirtschaft bereit für das 21. Jahrhundert zu machen.
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