Bürgerbeteiligung 5.0

Ein Kommentar von Tino Schlagintweit, Grüner Bürgermeisterkandidat


In Unterschleißheim herrscht weitgehend Konsens, dass die Stadt – wenn auch sehr moderat – Wohnraum schaffen sollte, vor allem bezahlbaren. Da man weder Flächenverbrauch in der Landschaft noch überzogene Hochhäuser will, bleibt nur eine Innenentwicklung mit höheren Baudichten. Das aber führt zwangsläufig zu Konflikten, die mit Bürgerbeteiligung gelöst werden könnten.

Die aktuellen Verfahren zum Wohnquartier am Business-Campus und zur Neuen Stadtmitte scheinen leider das Gegenteil zu bewirken: Eine im Prinzip sinnvolle Entwicklung gerät samt Bürgerbeteiligung in Misskredit.

Grund dafür ist vor allem ein Geburtsfehler: Obwohl es sich um freiwillige, vorgezogene Verfahren handelt, kommen sie eigentlich zu spät. Das Maß der baulichen Nutzung war bei beiden Projekten schon zu Beginn zwischen Stadt und Investoren relativ eng abgestimmt und vom Stadtrat gebilligt, Fundamentalkritik nicht vorgesehen.

3D-Visualisierungen für die bisherigen Architekten-Vorschläge zur Neuen Stadtmitte.

Aber auch über die Art der baulichen Nutzung wurde kein ernsthafter Dialog mit den Bürgern gesucht oder angestoßen. Versäumt wurde, Chancen und Risiken von Verdichtung, von Innenentwicklung zu klären: Höhere Dichte kann mehr Stress bringen, kann aber auch ein urbane, inspirierende Atmophäre schaffen. Sie kann zu Verkehrschaos führen, muss aber nicht. Gute Lösungen müssen Stadtplaner und Architekten liefern. Und sie können das, wenn man ihnen die richtigen Vorgaben macht und sich auf neue Ideen einlässt – wie zahllose Beispiele andernorts belegen. Ob und wie das auch in Unterschleißheim funktionieren kann, hätte die Bürgerbeteiligung klären können. Zeitgemäße 3D-Simulationen der angestrebten Gebäudedimensionen fehlten darin aber ebenso wie Planungsvarianten unterschiedlicher Baudichte, sowie Varianten gleicher Baudichte mit unterschiedlicher städtebaulicher Grundidee. Kein Wunder, dass diese wenig anschauliche und wenig ergebnisoffene Bürgerbeteiligung teilweise schlecht ankam und den Diskurs unter den Bürgerinnen und Bürgern eher hemmt: Während die unmittelbaren Nachbarn des Businesscampus immer neue, fragwürdige Details in den Planungen finden und darin Wachstumswahn und Investorendiktat sehen, klinken sich die die übrigen Bürgerinnen und Bürger langsam aus, weil ihnen Faktenfülle und Schärfe der Debatte zu viel werden. Das haben weder die Bürgerbeteiligung als solche verdient, noch die konkreten Projekte.

Als Bürgermeisterkandidat der Grünen möchte ich darum daran erinnern, dass eines der größten Umweltprobleme Bayerns der Flächenfraß ist. Jede Kommune hat die Pflicht, gegenzusteuern. Das kann für Unterschleißheim nur heißen: Wenn überhaupt Wohnungsbau – dann mit deutlich höherer Baudichte und – qualität als früher. Er muss aber ins Stadtbild passen, die Infrastruktur nicht überlasten und ausreichend Erholungsräume und Grünflächen bieten. Darum sollten wir lieber sachlich über städtebauliche Qualität debattieren als über bloße Geschoßflächenzahlen.

Meine Lehre aus den aktuellen Bürgerbeteiligungsverfahren ist: Bei Projekten dieser Größenordnung haben Sie, die Bürgerinnen und Bürger, Anspruch darauf, dass wirklich von Anfang an alle Karten auf den Tisch kommen und Sie mit modernster Visualisierung und Kommunikation in den Planungsprozess eingebunden werden. Bürgerbeteiligung 5.0 gewissermaßen.

Falls Sie selbst mit den 3D-Visualisierungen der bisherigen Architekten-Entwürfe zur Neuen Stadtmitte experimentieren wollen, dann können Sie sich die Google Earth Datei hier herunterladen.

 

 

Verwandte Artikel