Was wir heute machen müssen für ein lebenswertes Morgen

Ein Kommentar von Bernhard Schüßler, Vorstandsmitglied des Grünen Ortsverbands

Wir in Deutschland sehen uns oft als Europäische Musterschüler und schimpfen mal gerne auf unsere Nachbarn, die angeblich zu viele Schulden machen oder nur auf unser Geld aus sind. Naja, blickt man auf die Zahlen, sieht es ganz anders aus. Deutschland verstößt am häufigsten gegen EU-Richtlinien, aktuell sind etwa 80 Strafverfahren offen, davon über die Hälfte im Bereich Umweltrichtlinien. Deutschland hat zu hohe Nitratwerte im Wasser, zu viel NOX Partikel in den Innenstädten und zu viele Pestizide auf den Äckern.

Schon diese Beispiele zeigen, dass die EU mittlerweile die Bundesregierung in Sachen Umweltschutz deutlich überholt hat und sie sogar zu Strafzahlungen nötigt, weil Deutschland seine Hausaufgaben nicht macht. Diese Lethargie hat der Automobilindustrie das sichere Gefühl gegeben, Gesetze brechen zu können und keine Konsequenzen befürchten zu müssen. Über den EU-Rat, beeinflusst Deutschland somit die gesamte Europäische Umweltpolitik und wirkt wie ein Bremsklotz für den Klimaschutz, wie die einseitige Entscheidung des ehemaligen Agrarministers Schmidt (CSU) zum Glyphosatverbot zeigte.

Andere Länder sind viel weiter. Macron fordert eine CO2-Steuer für die EU, die seit 20 Jahren schon erfolgreich in Schweden läuft, in Großbritannien gilt schon lange eine Stadtmaut für London. Norwegen will ab 2025 nur emissionsfreie Fahrzeuge zulassen. Kopenhagen hat ein umweltfreundliches Verkehrssystem und will als ganze Stadt bald klimaneutral sein. Deutschland verfängt sich stattdessen in Scheindebatten um „die Freiheit des Autos“ und um die wirtschaftliche Auswirkung von klimapolitischen Maßnahmen.

Die regierenden Parteien haben nicht verstanden, was proaktive Klimapolitik bedeutet. Aufgabe von Gesetzgeber*innen ist es nämlich, Ordnungspolitik zu machen, also Gebote und Verbote festzulegen. Die neoliberale Ideologie der letzten 3 Jahrzehnte hat die Politik teilweise entmachtet, denn es gilt das Kredo, dass der Markt es richtet. Die GroKo hat es sich in dieser Rolle bequem gemacht, weil sie keine Verantwortung mehr tragen muss. Ihr Zauberwort gegen die Klimakrise heißt „freiwillige Selbstverpflichtung“. Ein Witz, der weder Wirtschaft noch Industrie zu einem Umdenken verhilft sondern ihnen eine Imagepolitur durch sogenanntes „green washing“ verschafft.

Ein weiterer Aspekt der so schädlichen neoliberalen Weltsicht ist, dass Probleme privatisiert werden. Konzerne argumentieren immer damit, dass es die Verbraucher seien, die immer nur das Günstigste und nicht das Fairste kaufen würden. Das stimmt zwar teilweise, versetzt die Unternehmen aber in die Lage, die Verantwortung auf die Bürger abschieben zu können. Das Ergebnis sind verfehlte Klimaziele, eine Stagnierung bei der Emissionsreduktion seit 10 Jahren und kein Plan für keins der wichtigen umweltpolitischen Bereiche Landwirtschaft, Bau/Wärme und Verkehr.

Kein Wunder, dass die Jugend sich erhebt.

Die Aktivist*innen von Fridays for Future haben verstanden, was auf dem Spiel steht. Um die Pariser Klimaziele von unter 2 Grad Celsius Erwärmung zu erreichen, dürfen wir nur noch eine bestimmte Menge an Treibhausgasen emittieren. Das ist weltweit nur noch die 10-fache Menge, die im letzten Jahr ausgestoßen wurde. Der weltweite Ausstoß steigt hingegen kontinuierlich an, es ist zum Verzweifeln. Diese Kinder und Jugendlichen gehen jetzt und während der Schulzeit auf die Straße, weil sie wissen, dass es zu spät sein wird, wenn sie in 10 oder 15 Jahren an den Schalthebeln der Macht sitzen sollten. Sie brauchen keine warmen Worte oder „Profis“ sondern ehrliche Konzepte, um die Klimakatastrophe abzuwenden und ihnen die Zukunftsangst zu nehmen. Greta und die anderen haben es geschafft das Thema Klimaschutz länderübergreifend auf die Agenda zu bringen.

Innerhalb und außerhalb Europas diskutieren viele über die Klimakrise und wie sie zu lösen ist. Diese Phase müssen wir als Chance nutzen, die Ziele von Paris 2015 endlich konkret und multilateral umzusetzen. Eine EU-weite Mobilitäts-, Agrar- und Energiewende wäre ein wichtiger Schritt, der sichtlich Emissionen verringern und weltweit Vorbildcharakter haben kann.

Nationalismus behindert einen effektiven Klimaschutz, denn dessen Anhänger verstehen die Welt in einem Antagonismus zwischen drinnen und draußen und Fordern für jedes Problem eine Art von Abschottung. Doch die Natur ist verbunden. Kein Grenzzaun und keine Mauer können die Ausbreitung von Treibhausgasen in der Luft verhindern. Wir müssen unsere nationalen Egoismen beiseitelegen und endlich verstehen, dass es in unser aller Interesse ist, das Klima zu retten. Viel zu lange galt der Gedanke: Wieso sollte ich Geld für den Klimaschutz ausgeben, wenn das allen zu Gute kommt? Dabei hat der us-Ökonom Stern bereits 2006 errechnet, dass sich die Kosten von effektivem Klimaschutz auf 1% des Welt-BIP beliefen, die Folgekosten durch Umweltschäden hingegen auf 5 bis 20% des Welt-BIP summieren würden. Also, was lohnt sich mehr?

Je länger wir warten, desto gravierender werden die Schäden für unsere Volkswirtschaften und für den sozialen Zusammenhalt sein. Klimapolitik ist immer zugleich auch Sozial-, Wirtschafts- und Friedenspolitik. Wir Grüne haben das seit langem verstanden und es bleibt zu hoffen, dass die anderen endlich mitgehen.

 

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