Tino Schlagintweit, Umwelt- und Verkehrsreferent, Bündnis 90 / Die Grünen
Wohin soll sich die Stadt entwickeln? Braucht es mehr Gewerbe oder Wohnraum, mehr Eigenheime oder Mietwohnungen, mehr Stadt oder mehr Dorf? Wie bei der Neuen Mitte und beim Gartenquartier sind diese Fragen auch beim Mehrgenerationen-Campus Lohhof Süd schon wegen der Größe besonders drängend.
Der Bebauungsplan wird noch ausgearbeitet, in Grundzügen steht die Einteilung und Nutzung der Flächen aber fest, vor allem, bezüglich des Senioren-Komplexes, den der Investor plant. Auf dem schmalen städtischen Streifen an der Westseite des Areals soll vor allem bezahlbarer Wohnraum entstehen. Offen ist aber, was und wie gebaut werden soll. Die Stadt könnte selber bauen und vermieten, sie könnte ein Einheimischenmodell auflegen, zum Beispiel auf Erbpacht oder sie könnte Flächen an Genossenschaften übertragen. Noch wesentlicher sind aber städtebauliche Aspekte, etwa die angestrebte Einwohnerdichte und soziale Mischung, der Grad der Flächenversiegelung, die Verkehrserschließung und der Umgang mit den Freiflächen. Und nicht zuletzt soll das neue Wohn-quartier mit dem Senioren-Komplex eine funktionierende Einheit bilden ‒ gemäß der Grundidee “Mehrgenerationen-Campus”.
Um die Diskussion darüber anzuregen, enthielt die vorgezogene Bürgerbeteiligung über die städtische Online-Plattform Consul eine scheinbar simple Multiple-Choice-Umfrage: Was braucht Unterschleißheim? Teilgenommen haben 416 Personen. Eine deutliche Mehrheit (54 Prozent) hat dabei für kompaktere Bauweisen wie Geschossbauten und Reihenhäuser gestimmt. Nur 43 Prozent stimmten für flächenfressende Einfamilien- und Doppelhäuser.
Nun handelt es sich hier weder um eine repräsentative Umfrage, noch um einen Bürgerentscheid. Interessant ist aber, dass sich das Ergebnis mit der bisherigen Zielrichtung der Architekten deckt: Deren ursprünglicher Entwurf umfasst eine lockere Abfolge aus quadratischen, bis zu 5 Stockwerken hohen Punkthäusern und dreistöckigen “Riegeln”, die als Geschossbauten oder als Reihenhäuser ausgebildet werden könnten.
Aufgrund der Flächenknappheit, der hohen Grundstückspreise und explodierender Baukosten müsste aber deutlich mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen, als die Entwürfe anfangs vorgesehen hatten. Trotzdem forderte bei einem im März einberufenen Workshop vor allem die CSU mehr Privathäuser mit Garten und begründeten das mit dem angeblichen Wunsch „der Menschen“. Abgesehen davon, dass nicht einmal die Consul-Umfrage diesen Wunsch untermauert, muss sich die CSU fragen lassen, ob es heute noch angebracht ist, subventionierte Wohnformen für (wenige) Besser-verdienende zu propagieren, als gäbe es kein Morgen und beliebig Platz auf der grünen Wiese.
Dennoch sind die Architekten bei der Überarbeitung der Pläne darauf eingegangen – und versuchten sich an der Quadratur des Kreises: Um Platz für weitere Blöcke, Reihen- und Punkthäuser zu schaffen, rückten sie die bisherigen zusammen. Das Resultat sind teilweise minimale Fassaden-Abstände bis hinab zu fünf Meter. Die beliebten Punkthäuser verlieren damit aber ihr wesentliches Plus, das Licht:
Wer sich auch tagsüber vor neugierigen Blicken schützen muss, hat nicht mehr viel von den umlaufenden Fenstern. Aber auch die Bewohner*innen der Reihenhäuser hätten kaum noch über Privatsphäre in ihrem einsehbaren Mini-Gärtlein. Verdichtung geht anders.
Aus guten Gründen hat sich München für seine Entwicklung ein griffiges Motto gegeben: kompakt – urban – grün. Das ist gar nicht so schwer und eigentlich seit Jahrhunderten bewährt: klassische Blockrandbebauung oder Stadthäuser mit bis zu fünf Etagen. Sie schaffen eine hohe Bebauungs- und Einwohnerdichte und städtisches Flair, sparen Heizenergie und Baukosten. Zugleich bleiben Grünflächen erhalten mit Platz für Großbäume als Sichtschutz und Raum für Spiel und Begegnung aller (!) Bewohner*innen.
Man muss dieses Rad nicht neu erfinden. Gelungene Beispiele gibt es in Unterschleißheim, etwa das Quartier zwischen Käthe-Kollwitz und Eschenstraße oder die „weiße Anlage“ nördlich vom IAZ. Ein Spaziergang und Gespräche mit den Bewohner*innen lohnen sich!
Das Grundstück in Lohhof Süd ist für solche Bauformen mit Innenhöfen zu schmal: Trotzdem sollte höhere Dichte auch hier durch Verschmelzung der Baukörper zu größeren U- oder L-förmigen Einheiten erzielt werden. Darum stellen wir hier ein Konzept zur Diskussion, das ohne Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser auskommt. Klar ist: Eine sozial- und umweltgerechte, flächensparende Bebauung kann nicht aus Rücksicht auf widersprüchliche Forderungen entstehen, sondern nur durch eindeutige städtebauliche Zielvorgaben.
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