Leserbrief zum Artikel „Millionenminus am Horizont“ im Münchner Merkur vom 11.11.2020

Von Bezirksrätin Dr. Frauke Schwaiblmair (Gräfelfing) und Bezirksrat Martin Wagner (Unterschleißheim)

In der letzten Kreistagssitzung war zu hören, ein „Haufen Bezirksräte“ im Bezirkstag von Oberbayern, über dessen „Sinn und Unsinn als zusätzlichem Aufgabenträger“ man seit Jahren debattiere, lasse der Bezirksumlage „freien Lauf“. Es ist gleich auf drei Ebenen schlicht erbärmlich, was insbesondere die Vertreter*innen derjenigen Fraktionen im Kreistag von sich geben, die im Bund oder/und im Freistaat in Regierungsverantwortung sind:

Am wenigsten wichtig, aber dennoch ärgerlich, ist die Geringschätzung für die ehrenamtlichen Bezirksrät*innen, die ein gewichtiger Vertreter der Mehrheitsfraktion im Bayerischen Landtag da zum Ausdruck bringt, wenn er von „einem Haufen Bezirksräte“ spricht. Wer so agiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn den kommunalen Mandatsträger*innen landauf-landab immer weniger Wertschätzung entgegengebracht wird oder sie sogar in aggressiver Weise angegriffen werden. Er tut damit gerade so, als säßen da lauter Politiker*innen, die nach Lust und Laune mit Geld um sich werfen, das ihnen nicht gehört. Das Gegenteil ist der Fall – und das gilt für alle demokratischen Mitglieder des Bezirkstags!

Die zweite Ebene der Erbärmlichkeit ist, dass man so tut, als könne der Bezirkstag im Wesentlichen selbst über die an ihn gestellten Aufgaben und die damit verbundenen Kosten bestimmen oder aber selbst über eigene Steuern die Einnahmenseite verbessern. Auch hier ist das genaue Gegenteil der Fall: Weit mehr als 90% des Haushalts entfallen auf Pflichtaufgaben, die im Wesentlichen durch Bundes- und Landesgesetze definiert sind. Eigene Steuereinnahmen hat der Bezirk nicht. Neben einem sehr geringen Anteil aus dem Kommunalen Finanzausgleich ist seine einzige Einnahmequelle die Bezirksumlage. Änderungen an der misslichen Finanzlage der Bezirke können daher ausschließlich die regierenden Parteien in Land und Bund voranbringen. Offen-sichtlich fabulieren sie aber lieber davon, dass der Bezirk halt sparen müsse.

Am erbärmlichsten aber ist, dass gerade von Fraktionen, deren Parteinamen Adjektive wie „sozial“ oder/und „christlich“ enthalten, offensichtlich die Aufgaben des Bezirks, der als überörtlicher Sozialhilfeträger 90% seines Haushalts für Wiedereingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung, Pflege und andere soziale Aufgaben verwendet, als überflüssig oder zumindest nachrangig betrachtet werden. Lieber gibt man öffentliches Geld für Maut-Systeme aus, die nie zum Einsatz kommen, oder für Kaufprämien von Autos mit Verbrennungsmotoren, die die Automobilindustrie selbst gar nicht haben will.

Danken kann und muss man hier wohl Landrat Göbel, der klar benannt hat, dass die wichtigen und unumgänglichen Aufgaben des Bezirks diesem keine andere Wahl lassen, als die Umlage moderat zu erhöhen. Statt die Bezirke zu diskreditieren, sollten die Regierungsfraktionen in Bund und Freistaat alles daransetzen, die dritte kommunale Ebene in Bayern mit einer Finanzierung auszustatten, die den ihnen übertragenen Aufgaben gerecht wird. Das wäre eine wirtschaftlich verantwortungsbewusste und soziale Herangehensweise – und alles andere als erbärmlich.

Dieser Leserbrief wurde am 18.11.2020 vom Münchner Merkur veröffentlicht.

 

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