Nach jahrlangem Ringen und Bangen um die Zukunft des IAZ nimmt die Neue Stadtmitte langsam Form an: Mit dem Entwurf des Büros Steidle-Architekten existiert die Basis dafür, dass nun tatsächlich ein attraktives Zentrum entsteht, mit höherer baulicher Dichte und mit einem gewissen urbanen Flair. Die vorgezogene Bürgerbeteiligung hat aber auch gezeigt, dass die Meinungen über Gebäudehöhen, Nutzungsmischung und verträgliche Dimensionen auseinander gehen. Deutlich spürbar war die Sorge, dass ein solcher Komplex nicht mehr zu „unserem Unterschleißheim“ passt. Dass hier wieder nur Profitgier und Gigantismus am Werk sind, dass die Beton- und Verkehrsflut weiter anschwillt. Diese Bedenken sind berechtigt. Nicht umsonst haben wir Grüne mit unseren Änderungsanträgen darauf hingewirkt, dass die teilweise überzogenen Vorschläge aus der ersten Runde des Wettbewerbs überarbeitet werden mussten: Die Baumasse ist nun deutlich geringer, das Wohnen auf Kosten des Gewerbes gestärkt. Am 18. Dezember wird der Stadtrat die Empfehlungen aus dem Ideenwettbewerb als Vorgabe für die weitere Bearbeitung voraussichtlich beschließen. Darum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, etwas ins Spiel zu bringen, das bisher praktisch keine Rolle gespielt hat: Die ökologische Nachhaltigkeit des Bauens an sich.
Ökologische Hypothek
Auf dem IAZ lastet gleichsam eine schwere ökologische Hypothek. Sie wurde seinerzeit beim Bau durch den Verbrauch großer Mengen an Rohstoffen und Energie angehäuft. Zurückbezahlt – im Sinne einer möglichst langen Nutzung – sind diese Werte noch lange nicht. Schon ein einfaches Haus nach nur 40 Jahren abzureißen wäre ein Irrwitz. Wie erst, wenn es sich um einen ganzen Gebäudekomplex auf fast zwei Hektar handelt? Ökologie und Ökonomie laufen bei der Neuen Stadtmitte krass auseinander, da helfen keine noch so strengen Umweltauflagen, keine Wärmedämmung, Regenwasserversickerung oder Dachgärten. Bleibt also nur, die Umweltlasten wenigstens beim Neubau so gering wie möglich zu halten. Und das hieße beim Baustoff Nummer 1, beim Beton anzusetzen. Beton ist ein heimlicher, aber potenter Klimakiller. Allein die Herstellung von Zement übertrifft weltweit den CO2-Ausstoß des Flugverkehrs. Hinzu kommen die ökologischen Rucksäcke von Kies und Stahl. Nun gibt es ein Hightech-Verbundmaterial aus der Natur, mit weitaus besserer Klima- und Umweltbilanz. Eines, das sogar Kohlenstoff bindet: Holz. Dank modernster Herstellungs- und Verarbeitungstechniken ist der Baustoff aus dem Wald seit einigen Jahren auch für Großprojekte geeignet. Man mag einwenden: Holz brennt aber doch so leicht. Das Gegenteil ist der Fall: Sämtliche Brandschutzkriterien werden von modernen Holzbauten leicht erfüllt. Interessante Beispiele finden sich inzwischen weltweit: Erst heuer wurde in Wien das HoHo eingeweiht: ein Hochhaus mit 80 Meter Höhe. Die meisten dieser Projekte waren sowohl schneller gebaut als auch preisgünstiger als vergleichbare Projekte in klassischer Bauweise. Hinzu kommt, dass während der Bauzeit die Nachbarn erheblich weniger Staub und Lärm ertragen müssen – was gerade bei unserer Neuen Stadtmitte ein wichtiger Aspekt sein sollte. Ein anderer positiver Nebeneffekt – für die Stadt wie für die Investoren – wäre der Imagegewinn: ein Großkomplex wie die neue Mitte in Holzbauweise hätte deutschlandweit Signalwirkung und würde sehr überzeugend den Innovationswillen aller Beteiligten und ihre Ernsthaftigkeit beim Klimaschutz beweisen. Und er würde den Beweis liefern, dass Projekte dieser Größenordnung nicht automatisch in einer Betonflut enden.
Tino Schlagintweit
Bürgermeisterkandidat Bündnis 90/Die Grünen
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