Ein Kommentar von Bernhard Schüßler, Stadtratskandidat 2020
Seit der Europawahl und den anschließenden Umfrageergebnissen wird viel über die neue Stärke der Grünen berichtet und diskutiert. Manche suchen die Antwort im neuen Spitzenpersonal, andere glauben, dass es die Klimaproteste waren, die uns Grüne so stark wie noch nie machten. Dabei kommt die Grüne Stärke von ganz anderswo.
In den letzten Wochen hörte man viel über die Krise der SPD und über die wiederholten Fehltritte von Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK). Die GroKo ist so unbeliebt wie nie zuvor und es scheint, dass Grüne einerseits und leider auch AFD davon profitieren können. Das Chaos der Regierungsparteien als Ursache für den Zuwachs der Grünen? Das ist zu kurz gedacht. Mit einer derartigen Ursachenforschung machen es sich SPD und Union viel zu einfach und suggerieren, dass es nur ein kurzes Phänomen der Schwäche, eine Art Zufall sei. Über die strukturellen Defizite dieser Parteien wird jedoch wenig diskutiert.
Nur kurz nach dem bekannten Video des Youtubers Rezo schien die Union erkannt zu haben, was das echte Problem hinter ihrer Schwäche ist, leider war das nur von kurzer Dauer. AKK blamierte sich, in dem sie Kontrollen im Internet anregte, der Jungstar der CDU Amtor durfte sein Antwortvideo nicht veröffentlichen und die Union stand blöd da. Die Quittung kam am Wahlabend, bei dem v.a. die Zahlen über die junge Wählerschaft besonders überraschten. Diese Zahlen geben einen Hinweis, der noch nicht von den Parteien erkannt wurde.
Es ist die Strahlkraft der Demokratie, die die Grünen so stark macht. Sie stellen sich gegen die Hetze der Rechtsextremen, sie prangern den Rechtsbruch der Lobbyverbände und der Automobilindustrie an und sie haben eine Partei, die von innen lebt. Ganz genau, was den Grünen immer als Nachteil ausgelegt wurde, nämlich eine breite, gleichberechtigte und manchmal wirre Diskussionskultur zu haben, entpuppt sich als wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Es geht nicht darum, reibungslos als Führungsriege Entscheidungen zu treffen wie viel zu oft bei der Union, sondern um innerparteiliche Basisdemokratie, um Visionen nicht nur bis zur Nächsten Wahl, sondern langfristige Ziele. Die Menschen sehnen sich nach Partizipation und nach einem politischen Angebot, das die Überzeugung der Parteimitglieder wiederspiegelt.
Die Grünen sind eine Partei im ständigen Aufbruch, im Diskurs um die besseren Lösungen und Wege im Kleinen, um die gemeinsamen Überzeugungen am besten umsetzen zu können. Eine Partei, die gerade mit ihrem Grundsatzprogramm einen wertegeleiteten Punkteplan für eine ökologischere, gerechtere und friedlichere Zukunft ausarbeitet. Es ist eine der wenigen Parteien, die Mitglieder massenhaft hinzugewinnt, weil sie merken, dass sie auch als Anfänger*innen respektiert und v.a. mit ihren individuellen Fähigkeiten als Mehrwert für die gemeinsame Sache angesehen werden. So auch bei uns in Unterschleißheim. In den letzten 2 Jahren haben wir unsere Mitgliederzahlen verdoppeln können und freuen uns über unser 30. Mitglied. Man wird weder mit Misstrauen altgedienter Parteifunktionäre, noch mit undurchsichtigen und archaischen Hierarchien konfrontiert, sondern darf direkt einsteigen und im Kleinen zur Veränderung beitragen, die im Großen den Unterschied machen wird. Kurzum, eine Partei, die motiviert ist und eine, die einen Plan hat, der auf die proaktive Zukunftsgestaltung abzielt, anstatt am Erhalt des Status-Quo oder am Zurückdrehen der Geschichte.
Die Demokratie des 21. Jahrhunderts muss noch stärker als zuvor eine partizipative sein, die möglichst alle Stimmen einer Gesellschaft zu Wort kommen lässt. Nur so kann man Ausgrenzung und Spaltung entgegnen, in dem man den Zusammenhalt über gemeinsame Handlung erschafft. So konnten die Grünen von der „Milieupartei“ zu einer Bündnispartei werden. Ich hoffe, dass die anderen Parteien das erkennen und mitziehen, um die Demokratie noch weiter zu stärken. Jedenfalls macht es mich stolz, ein Teil dieses Aufbruches zu sein.
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