In Unterschleißheim sammelten Bund Naturschutz, Bündnis 90/Die Grünen, KAB St. Korbinian Lohhof und ÖDP im Juli 2016 an einem einzigen Samstagvormittag fast 400 Unterschriften für das Zulassungsverfahren zum bayerischen Volksbegehren gegen CETA. Bayernweit wurden mehr als 85.000 Unterschriften dafür innerhalb kürzester Zeit gesammelt – ein Riesenerfolg, denn nur 25.000 wären für einen erfolgreichen Antrag nötig gewesen. Mit dem Volksentscheid soll das Stimmverhalten der bayerischen Landesregierung im Bundesrat festgelegt werden.
Was ist eigentlich daraus geworden?
Der nächste Schritt war die Beantragung des Volksbegehrens am 14. Oktober 2016. Nach sechswöchiger Prüfung entschied am 23.11.2016 das Innenministerium, den Antrag nicht zuzulassen und dem bayerischen Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Es schreibt: „Nach Auffassung des Innenministeriums sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nach der Bayerischen Verfassung nicht gegeben. Die Bayerische Staatsregierung im Bundesrat zu verpflichten, gegen das Zustimmungsgesetz zu CETA zu stimmen, lässt die Bayerische Verfassung nicht zu. Eine mögliche Bindung der Staatsregierung käme nur in Betracht, wenn durch Bundesgesetz Gesetzgebungsrechte der Länder auf die Europäische Union übertragen würden. Das ist vorliegend aber nicht der Fall.“ Das Ergebnis überraschte nicht sonderlich. Dagegen haben die Initiatoren zwischenzeitlich Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Das Gericht kann den Weg für das Volksbegehren noch freimachen. Am Montag, den 16. Januar 2017, fand die mündliche Verhandlung statt. Mit tatkräftiger Unterstützung ausgewählter Juristen wurde ein 65-seitiges Gutachten vorgelegt, nach dem das Volksbegehren zulässig ist und genehmigt werden muss. Das Gutachten ist im Internet als pdf-Datei verfügbar. Die Initiatoren sind sich weiterhin sicher, vor dem Verfassungsgericht gute Chancen zu haben.
Wie ist die Situation in der EU?
Viele erinnern sich an die Wallonen, die im Oktober 2016 Aufsehen erregten, weil sie zuerst dem belgischen Parlament ihre Zustimmung verweigerten und Änderungsbedarf anmeldeten.
Wallonien sagte nicht einfach Nein. Vorausgegangen war ein 18-monatiger umfangreicher Konsultationsprozess des Wallonischen Parlaments mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft. Einen Prozess in dieser Intensität hat es in keinem anderen Land Europas gegeben. Regionalregierungschef Paul Magnette kennt das Abkommen in einer Tiefe wie kaum ein anderer Regierungschef – und lässt sich daher von vagen Zusatzerklärungen bisher nicht blenden.
Für ein Ja zu CETA formulierte das wallonische Parlament genau die richtigen Hürden:
Das Abkommen dürfe weder Sonderklagerechte für Konzerne enthalten noch die bäuerliche Landwirtschaft gefährden und öffentliche Dienstleistungen (z.B. Wasserversorgung) unter Privatisierungsdruck setzen.
Wallonien ist es u.a. gelungen, in der innerbelgischen Einigung festzulegen, dass der Europäische Gerichtshof, die höchste juristische Instanz der Europäischen Union, sich mit dem in CETA verankerten „Investitionsgerichtssystem“ befassen muss. Das Gericht soll prüfen, ob die Schiedsgerichte überhaupt mit den europäischen Verträgen vereinbar sind! So entschieden hätten wir auch gerne Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel für eine Neuverhandlung von CETA kämpfen sehen.
Die SPD hat auf ihrem Parteikonvent in Wolfsburg CETA zwar zugestimmt – allerdings unter Bedingungen. Demnach ist jetzt die “Stunde der Parlamente”, in der noch Änderungen an den Klageprivilegien für Investoren und anderen problematischen Inhalten durchgesetzt werden sollen. Wir hatten gehofft, dass die SPD-Abgeordneten im EU-Parlament und im Bundestag das nicht vergessen.
Nachdem Belgien den Weg für die Unterzeichnung des europäisch-kanadischen Abkommens frei gemacht hat, wurde dieses von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau unterzeichnet. Seitdem ist es ruhig um CETA geworden.
Wie geht es jetzt weiter?
CETA ist zwar unterschrieben, aber noch längst nicht ratifiziert.
Am 24.01.2017 hat der Handelsausschuss des Europaparlaments der Ratifizierung und der vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) zugestimmt. Die Zustimmung des Handelsausschuss war für CETA die entscheidende Hürde vor der Abstimmung im Plenum, die für Mitte Februar angesetzt ist. Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert die Abstimmung:
Christdemokraten, viele Sozialdemokraten und Liberale haben sich über die breiten Bürgerproteste gegen CETA hinweggesetzt. Aber: Die CETA-Befürworter sollten sich nicht zu früh freuen. Die vorläufige Anwendung von CETA ist kaum mehr zu verhindern, aber in den nationalen Ratifizierungsverfahren wird das Abkommen auf große Widerstände treffen. CETA ist noch lange nicht in trockenen Tüchern. Die Ablehnung von CETA durch den Bundesrat oder das österreichische Parlament sind realistische Optionen. Mit einer fehlenden Absicherung unserer Sozial- und Umweltstandards und Sonderklagerechten für Konzerne, bleibt CETA ein mangelhaftes Abkommen. Die Prüfung auf nationaler Ebene ist legitim, da es in die Kompetenzen der Mitgliedsländer wie in die kommunale Selbstverwaltung eingreift.
Wir Unterschleißheimer Grüne werden weiterhin das bayerische Bürgerbegehren und die Entscheidungen im EU-Parlament verfolgen und dieses Thema auch im kommenden Bundestagswahlkampf thematisieren.
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