Unterschleißheim steht vor einem gravierenden Wandel in der Gewerbelandschaft. Hinlänglich bekannt ist der Wegzug der namhaften Unternehmen EADS und Microsoft. Die Politiker der großen Parteien machen sich nun Sorgen, dass der Gewerbestandort Unterschleißheim seine Bedeutung verlieren und diese Entwicklung der Stadt sinkende Gewerbesteuereinnahmen bescheren könnte. Fast panikartig wurde daher auf Antrag der SPD und mit Zustimmung der CSU der Gewerbesteuer-Hebesatz von 350 auf 330 Punkte gesenkt. Als ob es den Unternehmen auf den Gewerbesteuersatz ankäme! Microsoft z.B. zieht nach München, wo der Wert bei 490 liegt. Auch die Unternehmensbefragung der Stadt hat ergeben, dass das entscheidende Kriterium für das Gewerbe die Infrastruktur mit Verkehrsanbindung, öffentlichem Nahverkehr, Kindergärten, Schulen und auch die Nähe zum Flughafen ist.
Die aktuelle Entwicklung geht jedoch in eine ganz andere und beängstigende Richtung, die uns Bürgern noch viele Probleme bereiten wird:
- Das ehemalige EADS-Gelände soll zu einem „Business Campus“ entwickelt werden, auf dem bis zu 5.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. In den Spitzenzeiten, als Siemens diese Fläche nutzte, gab es dort maximal halb so viele.
- Auf dem Grundstück südlich von EADS bestehen Planungen für mindestens 1.500 Arbeitsplätze.
- Der Menlo Park (ehemals Menlo Tower) sieht einen Gewerbepark mit ebenfalls 1.500 Arbeitsplätzen vor.
- Freie Grundstücksflächen im Gewerbegebiet von ca. 100.000 qm bieten noch Möglichkeiten für weitere 5.000 Arbeitsplätze.
- Schwer abzuschätzen schließlich ist das große Potential leer stehender Etagen in bestehenden Bürogebäuden.
Bis 1990 drohte Unterschleißheim zu einer „Schlafstadt“ zu werden, in der die Menschen wohnen und schlafen, aber andernorts (vor allem in München) arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Damals gab es daher die Zielsetzung, die Anzahl der vor allem durch Ortsansässige besetzten Arbeitsplätze zu erhöhen, gleichzeitig aber die Einwohnerzahl nur noch begrenzt wachsen zu lassen. Was zunächst durchaus zu gelingen schien, hat sich inzwischen zu einer maßlosen Entwicklung gesteigert. Im Jahr 2014 hatten wir in Unterschleißheim bereits ca. 16.500 Arbeitsplätze – das entspricht einer Steigerung von über 60% gegenüber 2004. Davon sind 14.200 mit Einpendlern besetzt und nur knapp 2.300 durch Einheimische. Unterschleißheim hat sich von einer Schlafstadt zu einer Einpendlerstadt gewandelt. Und wir müssen davon ausgehen, dass von zusätzlich weiteren 10.000 zu erwartenden Arbeitsplätzen ca. 8.000 durch Einpendler besetzt werden, also eine Steigerung von über 50% gegenüber 2014 eintreten wird. (Quelle: Stadt Unterschleißheim, Gemeindedaten 2015, Herausgeber Planungsverband äußerer Wirtschaftsraum München).
Fazit: Wir haben, gemessen an der Einwohnerzahl, nicht zu wenige, sondern deutlich zu viele Gewerbeflächen. Die Frage jedoch, wie viele Gewerbeflächen im Rahmen einer vernünftigen und maßvollen Stadtentwicklung sinnvoll und vertretbar sind, wird nicht gestellt. Das Wachstumsdogma des „immer Mehr“ wird nicht hinterfragt. Offenbar lässt die „Gier nach Gewerbesteuer“ bei vielen Stadträten diese Frage nicht zu und die negativen Folgen dieser Entwicklung werden kaum oder gar nicht bedacht.
Auswirkungen auf die Verkehrs-, Wohnungs- und Umweltsituation
Die mit der maßlosen Entwicklung von Gewerbeflächen verbundene Verkehrsbelastung wird völlig unterschätzt. Straßen können nicht einfach wachsen. Der bei jeder Einzelgenehmigung zu Rate gezogene und von den jeweiligen Investoren beauftragte Verkehrsplaner sieht in der Regel kein Problem. Jedoch wird die Gesamtheit der durch die einzelnen Projekte verursachten Belastungen nicht betrachtet. Es gibt keine Gesamtplanung zur Bewältigung der Verkehrsprobleme. Dringend erforderlich sind daher eine stadtweite Sicht auf die Verkehrsthematik und über Einzelprojekte hinausgehende Überlegungen zu Alternativen.
Der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst auch in Unterschleißheim exorbitant, die Einpendler schauen sich ebenfalls nach Wohnraum um. Gleichzeitig fehlt uns seit Jahren bezahlbarer Wohnraum für Geringverdiener, Erzieher und Erzieherinnen, städtische Mitarbeiter, usw. Dieses Problem wurde lange Zeit vernachlässigt. So wurden z.B. Kaufangebote an die Stadt für Grundstücke oder ganze Wohnblocks, die für die die Schaffung bezahlbaren Wohnraums geeignet gewesen wären, nicht wahrgenommen.
Umweltschutz und Ökologie spielen bei der Ausweitung der Gewerbelandschaft nur eine untergeordnete Rolle. Der immense Flächenverbrauch ist zu einem zentralen Umweltproblem geworden. Die freie Landschaft wird zubetoniert, zerschnitten und fragmentiert. Dies hat gravierende Auswirkungen auf viele Tier- und Pflanzenarten, deren Lebensräume immer kleiner werden. Verbindung und Vernetzung der Lebensräume sind nur noch schwer möglich. In Unterschleißheim gibt es nur noch wenige Flächen, die als Acker oder Wiese genutzt werden. Die Möglichkeiten der Bauleitplanung für eine umweltschonende, flächensparende und nachhaltige Kommunalentwicklung werden aber kaum genutzt.
Bündnis 90/Die Grünen fordern daher seit langem:
- Eine Umwidmung von Gewerbe- oder Mischgebieten in Wohngebiete, die vor allem für die Errichtung bezahlbaren Wohnraum genutzt werden sollen.
- Die Unterschutzstellung für die im Landschaftsplan zum Flächennutzungsplan mit Stand vom 07.10.2010 aufgeführten Biotope und eine Ausweisung als geschützte Landschaftsbestandteile gemäß Art. 12 BayNatSchG.
- Keine Ausweitung der Bebauung über die Grenzen der bestehenden Bebauung hinaus.
Für eine Umwidmung in Wohngebiete bieten sich aus derzeitiger Sicht z.B. an:
- Das sog. Moll-Gelände am S-Bahnhof Lohhof, das besonders gut geeignet für Mehrgeschosswohnungen ist.
- Das Gelände südlich des EADS/ Business Campus, wo gegen unsere Stimmen bereits Baurecht besteht; dies sollte dann eher für Wohnbebauung als für weitere Gewerbeansiedlung genutzt werden.
- Die Flächen in Angrenzung oder Umgebung bereits bestehender Wohnbebauung, z.B. das ReKa-Gelände an der Südlichen Ingolstädter Straße oder das ehemalige Microsoft-Gebäude.
- Kleinere Flächen entlang der Ludwig-Thoma-Straße, des Furtwegs oder am nördlichen Ende der Carl-von-Linde-Straße.
Die Instrumente der Planung für eine gewerbeflächensparende, naturverträgliche und nachhaltige Stadtentwicklung, die auch den dringenden Bedarf nach Wohnraum berücksichtigt, sind da. Ob sie eingesetzt werden, beruht aber einzig auf dem politischen Willen aller kommunalen EntscheidungsträgerInnen.
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