Von der Befreiung von Auschwitz bis zur Zukunft der Gedenkstättenarbeit

Die Verantwortung des Erinnerns – Kinofilm: „Heute ist das Gestern von Morgen“

Film-Plakat – „Heute ist das Gestern von Morgen“ ©

Bündnis 90/Die Grünen zeigen im Rahmen des Grünen Kino den Dokumentarfilm „Heute ist das Gestern von Morgen“ am Dienstag, 18. Februar 2025, 19:30 Uhr im Capitol-Kino.

Die Befreiung von Auschwitz und die Arbeit der KZ-Gedenkstätten sind keine abgeschlossenen Kapitel der Geschichte. Sie sind lebendige Mahnungen und Verpflichtungen zugleich. Die Erinnerung an den Holocaust ist nicht nur eine Frage der Vergangenheit, sondern eine Aufgabe der Gegenwart und Zukunft.

„Heute ist das Gestern von Morgen“ macht dies auf eindringliche Weise deutlich. Der Film zeigt, dass Erinnerung eine aktive Anstrengung erfordert – eine, die alle, ob Zeitzeuge, Mitarbeiter in den Gedenkstätten oder Besucher, gemeinsam leisten müssen. In einer Zeit, in der die Stimmen der Überlebenden leiser werden, müssen wir unsere eigenen Stimmen erheben, um sicherzustellen, dass das, was geschehen ist, niemals vergessen wird.

Die Befreiung von Auschwitz

Vor 80 Jahren, am 27. Januar 1945 betrat die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und offenbarte der Welt die Dimension eines Verbrechens, das in seiner Grausamkeit und systematischen Durchführung einzigartig in der Menschheitsgeschichte ist. Die Bilder und Berichte, die mit der Befreiung ans Licht kamen, dokumentierten das Ausmaß eines Menschheitsverbrechens, das bis heute unvorstellbar bleibt: die „industrielle“ Vernichtung von Millionen von Menschen.

Die Befreiung markiert ein entscheidendes Datum in der Geschichte. Sie erinnert uns nicht nur an das Ende eines der dunkelsten Kapitel der Menschheit, sondern auch an die Verantwortung, die sich daraus ergibt. Diese Verantwortung – das Gedenken an die Opfer, die Vermittlung der Lehren aus der Vergangenheit und das aktive Engagement gegen Hass und Diskriminierung – ist heute relevanter denn je.

Auschwitz als Symbol: Die Bedeutung von Gedenkstätten

Auschwitz ist mehr als ein historischer Ort. Es ist ein Symbol für das Unvorstellbare, für die systematische Vernichtung von Millionen Menschen, vor allem Juden, aber auch Roma, Sinti, politischen Gefangenen, Homosexuellen und vielen anderen. Die Befreiung von Auschwitz steht für die Möglichkeit, Unrecht zu beenden, und gleichzeitig für die Notwendigkeit, wachsam zu bleiben, damit sich solche Gräueltaten nicht wiederholen.

Gedenkstätten wie Auschwitz oder Dachau sind nicht nur Orte des Erinnerns, sondern auch der Bildung und der Reflexion. Sie bewahren die materiellen Überreste der Verbrechen und machen die Vergangenheit greifbar. Sie bieten Räume für Begegnung, Diskussion und Lernen. Diese Orte sind nicht statisch; sie stehen im ständigen Dialog mit einer sich verändernden Gesellschaft.

Dies gilt auch für den Erinnerungsort NS-Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof. Es ist gelungen, einen Ort der Unterdrückung und des Grauens umzuwandeln in einen Ort der Erinnerung und des Lernens.

Die Rolle der Gedenkstätten in der heutigen Gesellschaft

Die Arbeit von Gedenkstätten ist komplex und reicht weit über das bloße Bewahren von historischen Artefakten hinaus. Sie umfasst historische Forschung, pädagogische Arbeit, und die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die sich aus aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben.

Ein zentrales Anliegen der Gedenkstätten ist es, junge Menschen zu erreichen. Besonders in Zeiten, in denen die letzten Zeitzeugen verschwinden, sind kreative Ansätze gefragt, um die Geschichte lebendig zu halten. Digitale Archive, Virtual-Reality-Projekte und interaktive Bildungsformate können dabei helfen, das Gedenken auch in einer zunehmend digitalen Welt präsent zu halten.

Doch nichts ersetzt den unmittelbaren Eindruck, den ein Besuch an einem historischen Ort hinterlassen kann. Die Stille auf dem ehemaligen Appellplatz, die bedrückenden Dimensionen der Gaskammern, die persönlichen Gegenstände der Opfer – all das vermittelt eine Eindringlichkeit, die Worte allein nicht erreichen können.

Herausforderungen des Erinnerns

Die Erinnerungskultur steht vor zahlreichen Herausforderungen. Eine davon ist die zunehmende zeitliche Distanz zur Shoah. Für junge Menschen, die in einer Welt aufwachsen, in der die Schrecken der NS-Zeit nur noch aus Geschichtsbüchern bekannt sind, droht der Holocaust zu einer abstrakten, fast unwirklichen Vergangenheit zu werden.

Hinzu kommt eine politische und gesellschaftliche Entwicklung, die das Erinnern selbst infrage stellt. In einigen Teilen der Gesellschaft wird der Holocaust relativiert oder geleugnet. Antisemitismus und Rassismus nehmen wieder zu, und rechtsextreme Parteien gewinnen an Einfluss. Gedenkstätten werden nicht selten Zielscheiben von Angriffen – sei es durch Vandalismus oder durch gezielte Provokationen während Führungen.

Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie wichtig es ist, das Gedenken zu verteidigen und aktiv zu gestalten. Erinnern ist nicht nur eine moralische Pflicht gegenüber den Opfern, sondern auch eine politische Aufgabe. Es geht darum, Werte wie Toleranz, Menschlichkeit und Demokratie zu stärken und gegen Hass und Hetze aufzustehen.

Die emotionale Dimension der Gedenkstättenarbeit

Die Arbeit in einer KZ-Gedenkstätte ist zutiefst emotional. Mitarbeiter und Besucher sind täglich mit dem Leid der Opfer konfrontiert, das in den Geschichten, Bildern und Artefakten präsent bleibt. Diese Arbeit verlangt Sensibilität, Empathie und ein hohes Maß an innerer Stabilität.

Viele Mitarbeiter berichten von der Herausforderung, die Balance zwischen persönlicher Betroffenheit und professioneller Distanz zu finden. Es gibt Momente, die tief berühren – sei es die Begegnung mit einem Überlebenden, die Erzählungen von Angehörigen der Opfer oder der Anblick eines Gegenstands, der das Schicksal eines Menschen symbolisiert. Gleichzeitig ist es wichtig, sich nicht von der Schwere der Vergangenheit erdrücken zu lassen.

Ein Mitarbeiter einer Gedenkstätte formulierte es einmal so: „Man sollte aufhören, wenn einen die Arbeit an diesem Ort nicht mehr berührt. Aber ebenso, wenn man merkt, dass man sie emotional nicht mehr aushält.“

Die Rolle der Überlebenden

Die Überlebenden des Holocaust waren lange Zeit die wichtigsten Botschafter des Gedenkens. Ihre Geschichten und ihre Mahnungen haben Generationen geprägt. Sie haben uns gezeigt, was es bedeutet, Menschlichkeit selbst in den dunkelsten Momenten zu bewahren, und sie haben unermüdlich daran gearbeitet, die Erinnerung an die Shoah wachzuhalten.

Doch ihre Zahl nimmt ab. Mit jedem Jahr verlieren wir weitere Zeugen, die aus erster Hand berichten können. Diese Entwicklung ist nicht nur ein schmerzlicher Verlust, sondern auch eine enorme Herausforderung für die Erinnerungsarbeit.

Die Aufgabe, die Stimmen der Überlebenden zu bewahren, liegt nun bei uns. Ihre Geschichten müssen dokumentiert, archiviert und in einer Form weitergegeben werden, die auch künftige Generationen erreicht. Projekte wie aufgezeichnete Interviews, Dokumentarfilme und Zeitzeugen-Apps sind wichtige Bausteine dieser Arbeit.

Erinnerungskultur und Gesellschaft

Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit umgeht, sagt viel über ihre Werte und ihr Selbstverständnis aus. Erinnern ist nicht nur eine private Angelegenheit, sondern ein gesellschaftliches Projekt. Es erfordert politische Unterstützung, institutionelle Strukturen und eine aktive Zivilgesellschaft.

Gedenkstätten sind Orte, an denen diese Auseinandersetzung stattfindet. Sie bieten Raum für Dialog und Reflexion, aber auch für Kontroversen. Denn Erinnern ist nie einfach. Es erfordert Mut, sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen, und Offenheit, unterschiedliche Perspektiven zuzulassen.

Ein zentrales Ziel der Erinnerungskultur ist es, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Empathie und Verantwortung zu fördern. Es geht darum, die Vergangenheit nicht nur zu verstehen, sondern daraus zu lernen – für die Gegenwart und die Zukunft.

Die Zukunft der Gedenkstätten

Die Frage, wie das Gedenken in einer Zeit gestaltet werden kann, in der es keine Zeitzeugen mehr gibt, ist von zentraler Bedeutung. Gedenkstätten müssen sich weiterentwickeln, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. Dabei geht es nicht nur um den Einsatz neuer Technologien, sondern auch um die Entwicklung neuer pädagogischer Ansätze und Formen des Dialogs.

Ein Beispiel dafür ist die zunehmende Internationalisierung der Erinnerungsarbeit. In einer globalisierten Welt, in der Migration und kulturelle Vielfalt die Gesellschaft prägen, müssen Gedenkstätten inklusiver werden. Sie müssen unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen einbinden und sich als Orte der Begegnung und Verständigung präsentieren.

Ein Appell an die Gesellschaft

Die Erinnerung an den Holocaust ist keine Aufgabe, die allein den Gedenkstätten überlassen werden kann. Sie ist eine Aufgabe für uns alle. Jeder Einzelne trägt Verantwortung, die Lehren der Vergangenheit wachzuhalten und sich für eine Gesellschaft einzusetzen, die frei von Hass und Diskriminierung ist.

Besuche von Gedenkstätten, das Lesen von Büchern und Berichten, die Teilnahme an Veranstaltungen – all das sind Wege, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Doch es reicht nicht aus, sich nur zu erinnern. Wir müssen auch handeln.

Das bedeutet, Position zu beziehen, wenn Antisemitismus und Rassismus auftauchen. Es bedeutet, Menschen zu unterstützen, die Opfer von Diskriminierung werden. Und es bedeutet, sich aktiv für eine Welt einzusetzen, in der die Würde jedes Einzelnen geachtet wird.

Ein Aufruf zum Handeln

Die Befreiung von Auschwitz war ein Wendepunkt in der Geschichte, der uns bis heute prägt. Sie erinnert uns daran, wie zerbrechlich Menschlichkeit und Demokratie sein können – und wie wichtig es ist, sie zu schützen.

Die Gedenkstätte Dachau steht exemplarisch für diesen Kampf gegen das Vergessen. Sie ist nicht nur ein Mahnmal für die Vergangenheit, sondern auch ein Ort, an dem Zukunft gestaltet wird. Jeder Besucher, jede Führung und jeder pädagogische Workshop trägt dazu bei, die Lehren aus der Geschichte weiterzugeben.

Über den Filmemacher

Der Dokumentarfilmregisseur Jonas Neumann studierte zunächst Theaterwissenschaft und Philosophie an der LMU, bevor er 2010 an die HFF München wechselte. Er arbeitet als freischaffender Filmemacher und seit 2006 als freier Referent an der KZ-Gedenkstätte Dachau.
Jonas Neumanns Werke wurden auf internationalen Filmfestivals und renommierten Kunstausstellungen gezeigt, darunter das DOK.fest Dokumentarfilmfestival, das Filmfestival Max-Ophüls-Preis, das Fargo Fantastic Film Festival, das Lenbachhaus Museum und die Akademie der Bildenden Künste München.

Veranstaltungsdetails:

Titel: „Heute ist das Gestern von Morgen“
Datum: Dienstag, 18. Februar 2025
Uhrzeit: 19:30 Uhr
Ort: Capitol-Kino, Unterschleißheim, Alleestraße 24
Eintritt: € 11 / 10 Weitere Ermäßigungen, siehe Webseite
Tickets unter: https://capitol-lohhof.de/programm-tickets/

Helmut Göbel, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen Unterschleißheim

 

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